Optimierungsablauf
Die Lastflussoptimierung (LFO) ermittelt die Maßnahmen (mit Ausnahme von Schaltmaßnahmen Das Vorgehen bei der Optimierung des Schaltzustands auf Basis von Sonderschaltzuständen wird zu einem späteren Zeitpunkt beschrieben.) durch sukzessives Aufbauen und Lösen eines linearen Programms (LP). Das LP wird im Folgenden auch als Optimierungsproblem bezeichnet.
Das LP wird in Abhängigkeit des aktuellen Arbeitspunkts des Netzmodells aufgebaut. Der aktuelle Arbeitspunkt ist durch den Zustand vor Optimierung oder nach Umsetzung von Maßnahmen als Ergebnis der vorherigen Lösung eines LP als Zwischenschritt der LFO definiert. Die Lösung der im Rahmen der LFO aufgestellten LP wird mit Hilfe des frei verfügbaren Solvers CLP https://projects.coin-or.org/Clp ermittelt.
Die Koeffizienten der Zielfunktion, der treibenden Kraft des Optimierungsproblems, bestehen aus den Grenzund Strafkosten. Der Zusammenhang ist in Abbildung 4 dargestellt. Der Zielfunktionswert muss minimiert werden, um die aufzuwendenden Strafkosten möglichst gering zu halten. Mit Hilfe einer geeigneten Parametrierung der Strafkosten bildet die Zielfunktion eine (ausschließliche) Engpassbehebung ab. Zum einen werden Strafkosten für die Umsetzung von Maßnahmen modelliert. Zum anderen werden für die Nichteinhaltung von zulässigen Zweigauslastungen Strafkostenbeiträge in der Zielfunktion berücksichtigt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die LFO auch dann durchgeführt werden kann, wenn die zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht zur Beseitigung aller Engpässe ausreichend sind. Es existieren somit aus Sicht der LFO relaxierte und nicht relaxierte Nebenbedingungen. Die Festlegung der Strafkosten ist daher für den Optimierungserfolg von herausragender Bedeutung. Die Vernachlässigung sämtlicher Strafkosten für die Umsetzung von Maßnahmen kann beispielsweise zu einer nicht rein engpassgetriebenen Maßnahmendimensionierung führen. Sämtliche Strafkosten sollten daher stets größer Null sein.
Als Referenz der Genauigkeit der LFO dient die Modellierung der Leistungsflüsse auf Basis der Knotenadmittanzmatrix gemäß den komplexen Knotenbilanzgleichungen. Ähnlich zum Newton-Raphson-Ansatz, der zur Lösung der nichtlinearen Leistungsflussgleichungen genutzt wird, wird das Optimierungsproblem in einer bestimmten Anzahl von Iterationen gelöst. Der Zusammenhang zwischen der Auslenkung von Maßnahmen und den Zweigflüssen wird linear modelliert und als Sensitivität bezeichnet. Das iterative Vorgehen zur Einhaltung der Genauigkeitsanforderungen ist in folgender Abbildung dargestellt:
Abbildung 1: Iteratives Vorgehen zur Einhaltung der komplexen Leistungsflüsse bei der LFO
Grundlage zur Berechnung der Sensitivitäten ist die Berechnung der Leistungsflüsse im aktuellen Arbeitspunkt. Anschließend kann das LP aufgebaut und gelöst werden. Die ermittelten Maßnahmen können dann umgesetzt werden. Mit Hilfe einer Heuristik werden hierbei Einschaltentscheidungen von Erzeugungsanlagen berücksichtigt, da diese aufgrund der binären Entscheidungsvariablen nicht mit Hilfe eines LP ermittelt werden können. Es wird geprüft, ob ein Konvergenzkriterium erfüllt ist. Ist das der Fall, erfolgt kein erneuerter Aufbau des Optimierungsproblems. Als Konvergenzkriterium werden
•die Änderungen des Variableneinsatzes,
•und die Veränderung der Zweigüberlastungen
jeweils zwischen zwei Iterationen herangezogen. Bei vernachlässigbar kleinen Änderungen ist eine Konvergenz gegeben. Außerdem wird überprüft, ob eine zyklische Wiederholung der ermittelten Lösung des LP vorliegt. Dann erfolgt ebenfalls ein Verlassen der Iterationsschleife. Schlussendlich wird die Einhaltung der maximal zulässigen Anzahl Iterationen überprüft. Die Iterationen zur Nachbildung nichtlinearer Leistungsflussgleichungen werden als Linearisierungsiterationen bezeichnet.
In der LFO werden, bei der Identifikation der Maßnahmen, neben den Engpässen (kritische Zweigauslastungen) auch relevante Ausfallsituationen betrachtet. Zur Reduktion des Bedarfs an Rechenzeit erfolgt vor dem Aufstellen des Optimierungsproblems eine Selektion der relevanten Ausfallsituationen. Da aufgrund der Umsetzung von Maßnahmen innerhalb der Linearisierungsiterationen die Leistungsflüsse im Netzmodell beeinflusst werden, können im Anschluss der Umsetzung zusätzliche Ausfallsituationen relevant sein. Daher werden relevante Ausfallsituationen in einem iterativen Ablauf bestimmt und dem Optimierungsproblem zugeführt. Diese Iterationen dieser Schleife werden als Vollständigkeitsiterationen bezeichnet. Sofern keine neuen kritischen Zweigauslastungen infolge zuvor nicht im Optimierungsproblem berücksichtigter Ausfallsituationen auftreten, ist das Konvergenzkriterium erfüllt und die Iterationsschleife wird verlassen. Das Vorgehen ist in folgender Abbildung dargestellt.
Abbildung 2: Vorgehen zur Berücksichtigung aller relevanten Engpässe
Auf diese Weise ist stets gewährleistet, dass sämtliche relevanten Engpässe – entweder im Netzgrundzustand oder bei einer Ausfallsituation – in der LFO berücksichtigt werden. Sofern die zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Engpassbeseitigung ausreichend sind, erzeugt die LFO aufgrund der iterativen Betrachtung sämtlicher Ausfallsituationen keine neuen Engpässe.